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Wie finde ich das richtige Studium oder die richtige Ausbildung?

Der unglückliche Klient

Vor einiger Zeit hatte ich einen todunglücklichen jungen Mann im Coaching. Er hatte einen Bachelor in Betriebswirtschaft gemacht, bereits einige Jahre in diesem Bereich gearbeitet und klagte nun über deutliche Stresssymptome, depressive Stimmung und grosse Unzufriedenheit im Job. Sein Ziel war es, einen neuen Job zu finden, aber er war mit seinen Bewerbungen bislang komplett erfolglos geblieben.

Eine meiner ersten Coaching-Fragen ist in solchen Fällen oftmals „Was war Ihre Motivation für diesen Studiengang?“ –  Die Antwort war sinngemäss „Das Studium war angesagt und ausserdem kann man damit gut Geld verdienen.“

Die Antwort höre ich leider sehr oft. Da wurden Ausbildungswege nicht nach Neigungen und Stärken ausgewählt sondern einfach, weil sie gerade in waren und weil man sich davon ein hohes Salär verspricht.

Aber was nicht bedacht wurde, war, was mit einer solchen Wahl verbunden ist: Der Klient hatte sich mit Ach und Krach durch sein Studium gequält, von Spass und Interesse war weit und breit keine Spur zu sehen. Und er war auch nicht sehr erfolgreich bei der der Jobsuche gewesen. (Es ist auch schwierig, motiviert rüber zu kommen, wenn man das, was man anstrebt, eigentlich so gar nicht mag.) Vom grossen Salär keine Spur, dafür unglücklich in einem Job, der so gar nicht zu seinen Neigungen passte. Eigentlich hätte mein Klient noch während des Studiums wechseln können, als er bemerkte, dass er auf einem Irrweg war, aber dann war da noch der Glaubenssatz „Was man angefangen hat, macht man auch fertig.“ – Und so war mit Anfang 30 das Selbstbewusstsein am Boden und eine berufliche Neuorientierung unvermeidlich.

Und nach kurzem Forschen war auch schnell klar, dass er eigentlich ganz andere Interessen hatte, an denen wir ansetzen konnten. Nachdem wir nur wenige Minuten über das Thema gesprochen hatten, leuchteten seine Augen, mein Klient war komplett verändert, er wirkte plötzlich energiegeladen und ambitioniert. Was für eine Wandlung.

Wie Dir der „Sweet Spot“ helfen kann, die passende Richtung zu finden

Wenn Du vor der Frage stehst, welche Ausbildung oder welches Studium Du auswählen möchtest (oder wenn Deine Kinder vor dieser Entscheidung stehen) nachfolgend ein paar Tipps.

Ich arbeite sehr gerne mit dem „Sweet Spot“. Es gibt verschiedenste Darstellungen dazu, aber das Prinzip ist immer ähnlich. Der Sweet Spot ist die Schnittmenge der verschiedenen Fragestellungen, die ich Dir weiter unten im Einzelnen erläutere.

 

Sweet Spot - Studienwahl, Ausbildungswahl

Sweet Spot – Studienwahl, Ausbildungswahl

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Was Du gut kannst

Überlege Dir, welche Fähigkeiten, Stärken und Eigenschaften Du mitbringst. Wenn es Dir schwer fällt, diese für Dich herauszufinden – was bei Jüngeren oftmals der Fall ist – dann frag Dein Umfeld. Interviewe Deine Eltern, Freunde, Schulkollegen etc. „Was denkst Du, was ich besonders gut kann?“ „Welche Eigenschaften fallen Dir an mir besonders positiv auf?“ „Um welche Fähigkeiten beneidest Du mich vielleicht sogar?“ Ausserdem überlege Dir, welche Fächer Dir in der Schule besonders leicht gefallen sind. Falls Du schon Ferienjobs und Praktika gemacht hast, kannst Du auch die Kollegen mal darauf ansprechen.

Was Du gerne machst

Nicht alles was man gut kann, macht man auch gerne. Überlege Dir deshalb, welche der Stärken, die Du vorher für Dich herausgefunden hast, Dir auch wirklich Freude machen. Welche möchtest Du ausbauen und bei welchen könntest Du Dir vorstellen, dass Du sie gerne beruflich irgendwann nutzen möchtest, vielleicht sogar täglich.

Was Dich interessiert

Finde für Dich heraus, was Dich wirklich interessiert:

  • Über welche Themen liest Du gerne mal was oder schaust freiwillig einen Dokumentarfilm?
  • Welche Themen fandst Du in der Schule spannend?
  • Über welche Themen würdest Du gerne mal mehr erfahren und weiter „eintauchen“?
  • Was hat Dich vielleicht schon mal interessiert, als Du noch jünger warst?

Wenn Du noch wenig Interessen hast, spitze Deine Ohren in der nächsten Zeit und schau Dir möglichst viele verschiedene Sachen an:

  • Sprechen mit anderen Menschen über ihre Interessen, frag nach, was sie an dem Thema interessiert.
  • Frag andere Menschen in Deinem Umfeld, was sie beruflich machen und warum sie sich dafür entschieden haben.
  • Schau Dir Dokumentarfilme im Fernsehen zu verschiedensten Themen an und beobachte, was Dich vielleicht ein kleines bisschen mehr interessiert als anderes.
  • Forsche auf YouTube nach Themen, die Du spannend findest.
  • Geh mal in Museen.
  • Durchforste Nachrichtenportale
  • Lies Zeitschriften, die Du sonst nicht lesen würdest.

Kurz gesagt, such Dir ganz viel neuen Input von aussen und ganz viel Inspiration. Wichtig ist, dass Du offen und neugierig bist und Dich ausserhalb Deines normalen Bereichs bewegst. Denn nur so kannst Du Deinen Horizont erweitern.

Wie Du gerne arbeiten möchtest

Überlege Dir, wie Dein Arbeitsumfeld zukünftig aussehen müsste, damit Du Dich wohlfühlst.

Bist Du eher ein Einzelkämpfer oder liebst Du es in einem Team zu arbeiten? Hast Du gerne klare Hierarchien und Strukturen oder bist Du eher ein freiheitsliebender Mensch, der seinen Freiraum braucht? Kannst Du Dich selbst gut motivieren oder brauchst Du Druck von aussen? Ist eine Universität in der Du eher auf Dich alleine gestellt bist, wirklich das richtige Umfeld für Dich oder würdest Du Dich in einer schul-ähnlicheren Umgebung wie einer Fachhochschule wohler fühlen? Lernst Du wirklich so gerne oder wäre eine Lehrstelle mit erster handfester Tätigkeit und erstem Einkommen der bessere Schritt für Dich?

Wichtig: Orientiere Dich an dem, was für Dich passt, auch wenn Deine Freunde und Kollegen andere Präferenzen haben. Du kannst nur zufrieden werden, wenn es am Ende für Dich stimmig ist. Wenn möglich, schaue Dir verschiedene Arbeitsplätze an, damit Du ein klareres Bild bekommst, wie ein Arbeitsalltag tatsächlich aussieht. Oftmals haben wir ganz falsche Vorstellungen. So wollte ich beispielsweise nie in einem Büro arbeiten, weil ich die Vorstellung hatte, dass das total langweilig wäre (was es überhaupt nicht sein muss, es kommt auf die Tätigkeit an!!!).

Mach' Dir Gedanken über Deinen Weg, statt Lebensentwürfe anderer Menschen zu kopieren. Klick um zu Tweeten

Welchen Stellenwert soll Deine Arbeit in Deinem Leben haben?

Wenn Du Karriere machen und viel Geld verdienen möchtest, dann heisst das oftmals, dass die Arbeit für viele Jahre einen sehr hohen Stellenwert in Deinem Leben haben wird. Das heisst Du wirst wenig Freizeit haben, viele Stunden arbeiten und viel Lebenszeit in Deinen Beruf „investieren“. Frage Dich selbst, ob Du bereit dazu bist. Oder ziehst Du ein Leben mit geregelterer Arbeitszeit und mehr Freizeit vor? Vielleicht sogar eher Teilzeit? Wieviel Geld brauchst Du um zufrieden zu sein? Wie sind Deine Ansprüche?

Das sind Überlegungen, die Du unbedingt in Deine Berufswahl mit einfliessen lassen solltest um längerfristig zufrieden zu werden.

Was der Arbeitsmarkt braucht

Hier geht es um einen Realitätscheck. Da gibt es vielleicht supertolle, spannende Studiengänge und Ausbildungen, die Dich interessieren würden – die ABER keinerlei Aussichten in der Zukunft haben. Viele Berufe sind in Zukunft durch Automatisierung gefährdet (übrigens sogar Rechtsanwälte) oder werden höchstwahrscheinlich in Billiglohnländer verlagert. Recherchiere gründlich, ob Deine angestrebte Tätigkeit auch davon betroffen sein könnte. Sprich mit Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, recherchiere im Internet etc. Vielleicht könnte so eine Tätigkeit eine Basisausbildung sein und ein Sprungbrett für eine Weiterbildung – dann mag es ok sein. Aber Du solltest sichergehen, dass Du Dich nicht von Anfang an in eine Sackgasse begibst.

 

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Die Schnittmenge – der Sweet Spot

Wenn Du Dir zu den vorherigen Punkten ausführlich Gedanken gemacht hast, schau Dir die Schnittmenge an. Sie zeigt Dir, auf welche Stärken, Eigenschaften und Interessen Du Dich konzentrieren solltest, damit Du eine Tätigkeit findest, in der Du Dich wohl fühlst, Deine Fähigkeiten einsetzen kannst, Freude hast und eine berufliche Zukunft aufbauen kannst.

Welche Fähigkeiten und Kompetenzen solltest Du ausbauen, damit die Richtung stimmt? Nun ist es Zeit für eine intensive Recherche um herauszufinden, welche Ausbildungen oder Studiengänge am ehesten zu Deinem Sweet Spot passen und Dich längerfristig in die richtige Richtung bringen. Hier und da wirst Du wahrscheinlich Kompromisse eingehen müssen, aber es sollten eben nur Kompromisse sein und keine kompletten Verrenkungen.

Die längerfristige Sicht

Nimm Dir diese Grafik und Deine Notizen im Laufe Deines Berufslebens immer wieder zur Hand und überprüfe, was sich verändert hat. Welche Fähigkeiten und Kompetenzen sind hinzugekommen? Welche Interessen hast Du noch entdeckt? Was machst Du vielleicht nicht mehr (so) gerne? Was hat sich in Bezug auf das Umfeld verändert? Was weisst Du in dieser Hinsicht mittlerweile über Deine Bedürfnisse? Wie hat sich der Arbeitsmarkt verändert? Wo musst Du vielleicht nachbessern? Welche Weiterbildungen sind notwendig? Welche Kurskorrekturen wären sinnvoll?

Schlusswort

Der Sweet Spot ist natürlich nur ein Ansatz um sich über dieses Thema Gedanken zu machen. Aus meiner Sicht und Erfahrung allerdings ein sehr hilfreiches Mittel für einen ersten Impuls.

Wichtig ist, dass Du Dir überhaupt selbst Gedanken über Deinen eigenen Weg machst und nicht aus Ideenlosigkeit anderen Menschen „nachläufst“ und ihre Lebensentwürfe kopierst. Nutze die Möglichkeiten des Informationszeitalters und informiere Dich. Es gibt so viele berufliche Möglichkeiten, von denen Du mit Sicherheit noch nichts weisst – es wäre schade, sie aller ausser Acht zu lassen. Vielleicht hast Du von Deinem Traumjob einfach bislang noch nie etwas gehört?

Ich habe es schon mehrfach erlebt, dass Jugendliche Angst vor der Studienwahl hatten, da sie befürchteten auf Lebzeiten darauf festgenagelt zu sein. Ich kann Dich beruhigen: Heutzutage ist es möglich und sinnvoll, dass man sich entwickelt, die Richtung anpasst und korrigiert und immer weiter lernt. Wenn Du also trotz aller Überlegungen merken solltest, dass Du eine völlig falsche Wahl getroffen hast, dann korrigiere Deine Richtung. Studiere nicht 5 Jahre etwas, das Dir überhaupt nicht liegt, sondern überlege, was eine bessere Wahl für Dich wäre.

ABER: Achte darauf, ob Deine Motivation etwas anderes zu machen nicht nur fehlendes Durchhaltevermögen oder ein Fluchtimpuls z.B. wegen Prüfungsängsten ist. Wenn so etwas dahinter steckt, suche Dir Unterstützung um Deine Probleme zu bewältigen. Was genau dahinter steckt, weisst Du am besten selbst, wenn Du ehrlich zu Dir selber bist und ein bisschen in Dich gehst.

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